
Kennt ihr das, wenn man sich in eine Sache verliert?
Es beginnt meist harmlos. Eine Idee oder ein Vorhaben wird geboren und man beginnt, sich damit auseinanderzusetzen. Je mehr Energie und Zeit man in die Sache investiert, desto grösser wird auch ihre Bedeutung. Zuerst läuft es super. Erfolgserlebnis reiht sich an Erfolgserlebnis und erste Erfahrungswerte werden gewonnen. Die Idee gewinnt an Fahrt und man fragt sich, was man wohl erreichen kann, wenn es so erfolgreich weiter geht.
Dann kommen erste Stolpersteine. Vielleicht meistert man diese mit Bravour oder kommt mit einem blauen Auge davon. Oder wir scheitern und versagen. In jedem Fall aber ist aufgeben keine Option. Denn solange man immer einmal mehr wieder aufsteht, als man hinfällt, wird es weitergehen. Bis man eines Tages den Erfolg, das Geld oder die Anerkennung bekommt, die man verdient hat. Man muss nur nicht aufgeben. Nie aufgeben. Weil Menschen, die schwach sind und das Handtuch schmeissen, keine erzählenswerten Geschichten schreiben. Weil Gewinner nur verlieren, um stärker zurückzukehren. Und alles, was man tun muss, ist es, immer wieder aufzustehen. Einfach nie aufgeben.
Ich hatte so eine Sache in meinem Leben.
Ich habe mich der Sache so sehr verschrieben, dass sie zu meiner höchsten Priorität wurde. Nicht von Beginn an. Das hat sich stetig gesteigert, je mehr ich darin investiert habe. Sie wurde meine höchste Priorität, weil ich der Überzeugung war, dass alles besser werden würde, wenn ich meinen Teil zum Ganzen nur noch besser hinbekommen würde. Ich machte mich zum Entscheidungsfaktor über Sieg oder Niederlage. Über Gewinnen oder Verlieren. Erfolg oder Scham.
Sie wurde aber auch so wichtig für mich, weil ich nicht die einzige Person war, die an der Sache beteiligt war. Ein Aufgeben von mir würde auch für alle anderen folgen haben. Ich wollte nie der sein, der andere im Stich lässt. Vor allem nicht, wenn es «nur» darum ging, durchzuhalten und nicht aufzugeben.
Also machte ich weiter. Liess mich von jeder Niederlage nur noch mehr anstacheln. Versuchte, so viel wie möglich so schnell und sauber wie es nun mal ging, hinzubekommen. Und liess dabei meine ganze Zeit und Energie in die Sache fliessen. Doch egal, wie viel ich von gab und wie viele Opfer ich auf diesem Weg indirekt erbracht habe, das Ziel wurde nie erreicht. Das erlösende Gefühl des «jetzt ist gut» wollte sich nicht in mir breit machen. Weil jeder Teilerfolg eben nur ein TEILerfolg war und solange das Ziel sich noch hinter dem Horizont befand, sich keine Ruhe finden liess.
Natürlich merkte mir dies mein Umfeld an und sie taten ihr Bestes, mir die Augen zu öffnen. So sehr mein Unterbewusstsein ihnen Recht gab, so sehr fehlte mir an Kraft und Mut, etwas an meiner Situation zu ändern. Es war nicht so, dass ich nicht wusste, dass es mir schlecht ging. Mir fehlte es nur an der Zuversicht, dass ein anderes, besseres Ende für mich möglich sein würde. So vergingen Wochen, Monate, Jahre… Bis mich eines Tages die Erkenntnis überkam, welche ich niemals wahrhaben wollte:
Ich habe verloren…
Ich habe Zeit verloren, die nicht mehr zurückkommen wird. Weil ich nach Jahren voller Herzblut-Engagement immer noch dort stehe, wo ich angefangen habe.
Ich habe Energie verloren, die an anderen Orten etwas aufbauen hätte können. Stattdessen floss sie in unzählige Ideen, die niemals ausgearbeitet und verwirklicht wurden.
Ich habe mich, zumindest ein wenig, selbst verloren. Weil in all der Zeit, in der ich keine Energie mehr für mich selbst gehabt hatte, einige unvergessliche Momente niemals erlebt wurden.
Das zu realisieren, war hart. Ich konnte doch bei einer so wichtigen Sache, der ich mich Jahre meines Lebens lang gewidmet habe, nicht verlieren? Was würden andere von mir denken, wenn ich sie im Stich lassen würde? Und vor allem… was würde ich von mir selbst denken? Wäre ich dann der, der es nicht geschafft hat? Der Loser, der gescheitert ist? Ich konnte das nicht akzeptieren. Ich wollte mich diesen Fragen nicht stellen. Und doch war es Letzten Endes das einzig Richtige. Denn so bitter diese Erkenntnis zuerst auch war, so sehr war sie der Ausweg, den ich so verzweifelt gesucht habe. Erst, als es kein zurück mehr gab, begann ich, mich mental zu distanzieren. Die Sache wieder neutraler zu sehen und zu erkennen, wie weit ich gegangen bin. Viel zu weit und weiter, als es ein «Looser» je gebracht hätte. Es dauerte einige Zeit, bis ich das Ganze einigermassen verarbeitet hatte. Bis ich der gescheiterten Sache nicht mehr mit «wäre X anders gelaufen, hätten wir es vielleicht geschafft» nachtrauerte.
Heute weiss ich, dass das ganze schon seinen Sinn gehabt hat. Wie so oft, wenn man zurückblickt. Und ich bin glücklich, dort mit meinem Leben zu sein, wo ich jetzt bin. Und dankbar für alle Menschen, die trotz allem bei mir geblieben sind.
Vielleicht liesst dieser kleine Seelenstrip hier jemand, der aktuell an einem ähnlichen Punkt steht wie ich damals. Falls dem so sein sollte, dann glaube mir: Das Schwierigste an allem war, loszulassen. Einfach nur loszulassen. Der Rest kam alles von allein.
Wie gesagt, dauerte es einige Zeit, bis ich mit der ganzen Sache abschliessen konnte. Der Moment, in dem ich bewusst von allem Abschied genommen habe, seht ihr im Bild zu diesem Text. Und das Lied, welches den Sonnenuntergang in diesem Moment begleitet hat und mich beim Schreiben dieses Textes begleitet hat, ist dieses: